VÄTH C 320 auf 280er Basis stellt ein handwerkliches Kunststück dar

Zeitschrift TUNING 2/1996

Mercedes Spezialist VÄTH ist reiner Motorfachmann: sein C320 auf 280er Basis stellt ein handwerkliches Kunststück dar.

Die landläufigen Vorstellungen von Tuning werden total über den Haufen geworfen. Er residiert mitten im Grünen am Ortrand von Hösbach. Der Gebäudekomplex dürfte eine ehemalige Mühle gewesen sein. Doch spätestens, wenn sich die Tore öffnen, sieht man anhand des supermodernen Maschinenparks, dass hier kein Korn mehr gemahlen wird, sondern Motorentechnik auf sehr hohem Niveau praktiziert wird.

VÄTH ist reiner Motorenfachmann mit der ausschließlichen Spezialisierung auf Mercedes. Und Tuning, das heißt die Leistungssteigerung von Motoren, sieht er eher als Abfallprodukt seiner eigentlichen Arbeit, die man am besten mit Motoreninstandsetzung beschreibt. Unter dem Strich also ein Mann und ein hochqualifizierter Mitarbeiterstab, der weiß, wo bei einem Motor in Theorie und Praxis der Hebel anzusetzen ist.

Sozusagen als Einstand überließ er uns einen „Mercedes C 320“ dem er auf der Basis eines C 280 Serientriebwerks 177kW (240 PS) implantiert hat. Dass das Fahrzeug darüber hinaus auch ein recht harmonisches abgestimmtes Sportfahrwerk besitzt und auf Alurädern mit Breitreifen steht, interessiert eigentlich nur ganz am Rande.

Konzentrieren wir uns also auf den VÄTH-Motor. Die Umbauarbeiten beginnen mit der Vornahme eines 2,9 Liter Motorblocks, und die Montage einer Kurbelwelle mit 84,0 Millimeter Hub. Es folgen die Kolben des Sechszylinders, die 89,9 Millimeter Bohrung aufweisen, dazu Pleuelstangen, Kurbelwellen- Haupt und Pleuellager. Das alles wird sorgfältig zusammengebaut und bildet so den VÄTH – C320 Basis-Block.

Nun geht es an den Zylinderkopf, der klassisch überarbeitet wird. Klassisch heißt, die spanabhebende Bearbeitung sämtlicher Kanäle und ihre Angleichung untereinander, um so optimale „Durchfluss Verhältnisse“ zu erreichen, eben der Luft und dem Kraftstoff-Luftgemisch den Weg vom Ansaugtrakt bis zum Auspuff so weit als möglich zu erleichtern. Um diesen Durchsatz zu erhöhen, was für die Leistungssteigerung ausgesprochen wesentlich ist, werden eine Nockenwelle mit größerem Öffnungswinkel und Einlassventile mit größerem Tellerdurchmesser verwandt.

Eine letzte Feinheit ist das Einschrauben von Zündkerzen mit höherem Wärmewert. Das Gesamtwerk wurde anschließend auf dem hauseigenen Motorprüfstand hinsichtlich Laufkultur und Leistung optimiert und schließlich gemessen. Als besonders erfreulich wurde dabei ein Drehmomentwert von 325 Nm konstatiert, der ab 3500/min ansteht und bis 6.400/min nicht unterschritten wird.

Grau ist alle Theorie. Lassen wir uns also auf der Straße zeigen, was der VÄTH- C 320 kann. Kalt- und Warmstartverhalten ist von der Serie nicht zu unterscheiden, also perfekt. Rasten wir nun den Wahlhebel der Viergangautomatik auf Stufe D ein und fahren los. Schon mit der geringsten Gaspedalbewegung spürt man, dass hier deutlich mehr Pferde unter der Haube scharren und kompromisslos noch vorne ziehen. Dabei handelt es sich nicht um hypersensible Renner, sondern gutmütige „Kraftpakete“, denen man über den gesamten Drehbereich, der bis 7200/min reicht, sogar astreine Kultur attestieren muss. Im Klartext: Wann und wo man hintritt kommt sehr beachtlicher Vortrieb, der in Zahlen ausgedrückt, eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 6,5 Sekunden Realität werden lässt. Und das mit Automatik. Selbstverständlich geht die Beschleunigungsorgie weiter, bis bei glatten 250 km/h mit Höchstgeschwindigkeit das „Ende der Fahnenstange“ erreicht ist.

 

Dabei sind diese Standardwerte im Prinzip zu vernachlässigen. Viel beeindruckender ist, was im durchschnittlichen Fahrbetrieb geschieht: Eben das reaktionsschnelle Ansprechverhalten, der astreine Lauf bei jeglicher Drehzahl, die flach verlaufende Drehmomentkurve, die die bullige Charakteristik des Motors ausmacht. Nicht einmal mit allen Mitteln fahrerischer Provokation war ein Schieberuckeln zu erzeugen. Mit einem Verbrauch von 10 bis 14 Litern Super Plus bleifrei ist man ebenfalls nicht schlecht bedient. Fordert man die Leistung nicht grade in extremen Maß heraus, so ist gegen den Verbleib der Serienbremsen nichts einzuwenden. Schlicht gesagt, man sollte vor Wolfgang VÄTH den Hut abnehmen.

Eine solche Qualitätsarbeit. Auf die VÄTH ein Jahr beziehungsweise 50.000 Kilometer Garantie gewährt, kann nicht billig sein. Mit einem Preis von 15.870 Mark ist sie aber ein ordentlicher Gegenwert. Wenn man diesen funktionablen, deutlich spürbaren Leistungszuwachs vom Haus mit den Stern direkt haben will, so bleibt nur der Weg über den C 63 AMG, der auch unter Berücksichtigung der umfangreichen Serienausstattung deutlich teurer wir und im Nachhinein gar nicht beschritten werden kann.

 

 

 

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